Wer weiß wofür’s gut ist, das sagt die Mama immer, wenn Dinge passieren, denen man bei noch so viel Optimismus auf den ersten Blick einfach trotzdem nichts Positives abgewinnen kann. Wer weiß wofür’s gut ist, das haben Nancy, Nicole und Julia immer gesagt, wenn Dinge passiert sind, die nicht unbedingt zu einer Campervantour dazugehören, die aber für jede Menge Pointen im Reisetagebuch gesorgt haben.
Wir holen unseren Dreimäderlvan am Donnerstag morgen bei strahlendem Sonnenschein ab. Rolf erklärt uns die special features unseres Vans und dass ein Schlüssel für die Gasflasche, einer für den Wassertank und einer für die Zündung ist. Danke Rolf, wir sehen uns dann am Mittwoch wieder. Ich nehme am Fahrersitz Platz weil Nicole noch dreinschaut wie ein Autobus um die Uhrzeit und Nancy zu dem Zeitpunkt noch nicht unbedingt ein Fan von Linksverkehr und großen Autos ist. Schlüssel in die Zündung und los geht’s. Herrschaftseiten, das geht nicht. Rolf, der Schlüssel passt nicht! Versuchs mal mit dem für’s Auto und nicht mit dem für den Wassertank. Aja. Ein U-Turn und los. Stoptafel, bergauf anfahren, erste Ampel, richtige Spur, klappt alles perfekt. Nur die Gänge mit der linken Hand reinzupreschen (nein, schalten konnte man das bei unserem Toyota Hiace, BJ 1999 nicht nennen) war etwas gewöhnungsbedürftig. Den Randstein, den ich beim ersten Mal links abbiegen mitnehme, bedarf auch keiner ausführlichen Nennung in diesem Eintrag.
Wir fahren durch den Royal National Park, der nach dem Yellowstone Nationalpark in den USA als zweiter National Park der Erde gegründet wurde. A long and winding road. Mal wieder zeigt sich Australien von seiner besten Seite – Landschaften, die sich im 20 Minutentakt zur Gänze verändern, wolkenloser Himmel und angenehme Temperaturen.
Die erste Nacht am Pebbly Beach, ein einsamer Strand, ein Stück abseits vom Princess Highway ist herrlich – einsam Wir können unser Auto am Parkplatz stehen lassen, weil der kleine Campingplatz voll ist, uns aber der Ranger, der zufällig grad lang fährt die Erlaubnis zum Übernachten gibt. Also, Gas an, wir kochen Nudeln und trinken Wein. Den Verdauungsspaziergang machen wir zum Strand, der im Mondschein die perfekte Kulisse für das nächste romantische Dinner bei „The farmer wants a wife“ wäre. Plötzlich, halt, da steht was. Eine Holzfigur, hier ist wohl ein Spielplatz. Da hinten auch. Nein, das ist ein Känguru, und da auch, und da auch. Wir lesen später im Reiseführer, dass am Pebbly Beach morgens und abends gerne mal ein paar Kängurus vorbeischauen. Und die waren ganz australisch – überhaupt nicht g’schreckt.
Ein fast echtes Känguru am Queen Victoria Market - meine Lieblingsszene kommt zum Schluss.
On the road again. Weiter geht’s am nächsten Tag nach Metung, ein kleines schmuckes Dorf nahe Lake Entrance, einem größeren Touristenstädtchen an der Küste. Sicherheitshalber tanken wir nochmal, wir haben größten Respekt vor der Kombination Tankreserve + Outback. Es ist acht Uhr dreißig am Abend und wir fahren zu einer Shelltankstelle mit Tankautomaten (eine Seltenheit hier). "Please wait" steht am Display, nachdem wir ihn mit unserer Kreditkarte bezirzt haben. Please wait steht auch zehn Minuten später noch am Display. Und auch zwanzigMinuten später. Während wir uns schon drauf einstellen, heute wohl woanders zu übernachten als geplant, kommen zwei LKW-Fahrer, die gerade auf der Tankstelle Rast gemacht haben. „I’ll ring up the owner“ sagt einer davon. So ein Glück muss man mal haben, dass der LKW-Fahrer ein Bekannter des Tankstellenbesitzers ist, der 10 Minuten später da steht und uns um 50 Dollar den Tank befüllt.
In diesen 10 Minuten reden wir mit den beiden LKW-Fahrern über die zahllosen Tafeln neben der Straße: „A microsleep can kill in seconds“ - „Stop, Revive, Survive“ – „Fatigue? A powernap can help.“ – „Only sleep kills fatigue.“
„It’s a serious problem.“ sagt der eine. Die Leute wollen an ihr Ziel und unterschätzen dabei die Entfernungen und die Straßenverhältnisse. Der Princess Highway zum Beispiel, auf dem wir größtenteils unterwegs sind, ist mit einer Bundesstraße vergleichbar, inkl. Gegenverkehr. Alle zehn Kilometer können dann die Fahrer, die vermutlich im Rhythmus ihres nervösen Herzschlags aufblenden, eine Overtaking Lane nutzen, und sich dem Geschwindigkeitsschwips (bei 100 km/h Höchstgeschwindigkeit kann man das wohl kaum Rausch nennen) hingeben. „You know, the streets are not like the Autobahn. And in Australia, getting a driver’s licence is as easy as buying a package of weet bix.“
Zu schnell fahren über Ostern bringts übrigens doppelt: die Punkte, die man hier für Verkehrsstrafen erhält, werden über die Feiertage einfach mal verdoppelt.
Wir kommen also um zehn Uhr abends in Metung an, suchen uns einen Parkplatz, auf dem uns die Polizei nicht sofort findet, um dort unseren Campervan abzustellen und – richtig – auf die erfolgreich absolvierten Kilometer anzustoßen.
Am nächsten Morgen ist mein morning swim sehr erfrischend, um nicht zu sagen saukalt. Das Wetter ist wunderbar, aber wir sind halt doch ein paar hundert Kilometer südlicher als in Sydney, wo Baden mittlerweile auch schon eine recht frostige Angelegenheit ist.
Am public BBQ machen wir uns french toast und Rührei und frühstücken wie die Kaiser. Das ist eins Dinge die wir Europäer uns gerne mal von den Ozzies hier abschauen können (neben kostenlosem Wasser in Restaurants und Feiertagen, die am Montag nachgeholt werden, sollten sie aufs Wochenende fallen): Gasgriller an fast jedem Strand, Campingplatz, Nationalpark, etc. die dann auch noch supersauber sind.
So erreichen wir am Samstagabend unseren Campingplatz in Melbourne. Auto abstellen, und wieder auf die Kilometer anstoßen. Aber diesmal hat der Wein eine sehr anstrengende Duftnote. Wie Drogenhunde kriechen wir in und ums Auto herum, auf der Suche nach der Quelle dieses Faulen-Ei-Geruchs. Die Automobilspezialisten unter euch werden jetzt sofort wissen, was an einem Auto wie faule Eier riechen kann. Da unser Dreimäderlcampervan aber schon passen musste, als wir entdeckt haben, dass wir keine Motorhaube haben und somit nicht mal orten konnten, wo sich unser Motor befindet, waren wir geraume Zeit der Meinung, ein blinder animalischer Passagier macht es sich in unserem Unterboden gemütlich. Die einzige mit ein wenig technischem Verstand, Nicole (die sich im übrigen auch vorbildlich um den richtigen Reifendruck gekümmert hat – siehe Foto), stößt schließlich auf die Batterie, die man eine Stunde nach Abstellen des Motors immer noch kochen hört.
„Servus Rolf. Die Batterie stinkt nach faulen Eiern.“ „Isst ess die spea batt tärie oder die ändschien batt tärrie?“ (Rolf ist Schweizer.) „Gute Frage, Rolf.“
Es stellt sich heraus, es ist die Engine Battery und wir müssen den RACV (sozusagen das ADAC/ÖAMTC-Äquivalent im Bundesstaat Victoria) am nächsten Morgen anrufen.
Ostersonntag – Nicole hat nicht nur für Reifendruck sondern auch für kleine Schokoosterhasen gesorgt. Aber easter bunny sollte uns noch viel mehr bringen – nämlich eine neue engine battery. „It’s finito“ sagt der Typ, der die neue Batterie anschließt. Mit dem richtigen Schlüssel versuche ich also das Auto starten. Nothing. Nur das Batteriesymbol leuchtet stolz vor sich hin. „Maybe I made a stupid mistake. I have to call my colleague, it must be a problem with the ignition.“
RACV-battery-specialist |
Kollege kommt ca. eine Stunde später, schaut sich den Motor an, während er kaugummikauend nicht gerade den kompetentesten Eindruck auf uns macht und diagnostiziert: „The starter is broken.“ Interessant. Und jetzt? „I have to call my colleague, because I don’t have the parts with me.“
RACV – der dritte. Zwei Stunden vergehen dazwischen. Wir stellen unsere Campingstühle in die Sonne und sagen unseren Leitspurch „Wer weiß, wofür’s gut ist“ immer wieder vor uns hin, in der Hoffnung, dass Mister RACVNumber3 ein gutaussehender smarter Kerl ist, der sich nicht nur mit Startern gut auskennt. Wir wissen bis heute nicht, wofür’s gut war, weil der dritte RACV Mechaniker konnte uns nicht aus unserer Immobilität befreien und hatte auch sonst keine anderen erkennbaren Qualitäten. „The starter is fine. There is a problem with the electricity, RACV doesn’t fix this, you have to go to an Auto Electrician for that problem.“ „But no Auto Electrician is open during the holidays.“ „I know, bad luck.“ „Bad luck?“ „Bad luck!“
Mama, weißt du, wofür’s gut ist?
Nunja, wir machen das beste draus, den sonnigen Ostersonntag mit Schokolade und guten bis dürftigen Witzen am Campingplatz, arrangieren mit unserem Campervanvermieter, dass wir das Geld zur Gänze zurück kriegen und vergnügen uns am Abend schließlich in St Kilda bei Burger und jeder Menge Cider. Auf dem Heimweg singen ein paar Straßenmusiker „Don’t worry. Be happy.“ Passt wie Faust auf Auge.
Am Montag erfahren wir dann wofür’s gut ist. Wir haben uns einen kleinen Hyundai Getz bei Europcar gemietet. Den darf ich leider nicht fahren, weil dann kostets 60 Dollar Aufschlag, wenn jemand unter 25 mit dem Spuckerl herumfährt. Die Randsteine bleiben diesmal also unbeschadet. Die noch longer and noch windinger Great Ocean Road sieht fantastisch aus – weiße Strände, unglaubliche Felsformationen, großartige Aussichten und jede Menge Auf- und Abfahrten und Kurven. Die twelve Apostles – das Highlight der Great Ocean Road – erreichen wir um kurz nach sechs, eine Kombination aus bad timing und traffic jam. Aber wir sind nicht die einzigen Idioten, die in der Dunkelheit versuchen, mit ihrem Kompaktkamerablitz die imposanten Felsen im Wasser zu erhellen. Nein, liebe Japaner, auch eure Kameras kriegen das nicht hin. Das Stativ habt ihr umsonst mitgeschleppt.
Wir übernachten in unserem Campervan in Melbourne und dürfen unseren Zweitwagen freundlicherweise kostenlos in den Carpark stellen. Bevor wir am Dienstagmorgen abreisen, helfen uns die Mitarbeiter noch das Ding zur benachbarten Werkstätte zu schieben und dann geht’s heimwärts, Richtung Sydney. Wir sind im Endeffekt dankbar, dass uns die Batterie nicht irgendwo in the middle of nowhere, da wo die LKW-Fahrer die Tankstellenbesitzer noch persönlich kennen, flöten gegangen ist, wo wir noch weniger gewusst hätten, wofür das ganze jetzt gut sein soll.
Auf unserem kleinen Stadtrundgang durch Melbourne kriegen wir nur einen sehr oberflächlichen Eindruck von der Stadt. Melbourne kann ich definitiv noch nicht von meiner To-Do-Liste streichen, da will ich noch mal hin. Zwischenstopp machen wir in Albury, einer authentischen australischen Inlandskleinstadt, wo wir uns von unterwegs ins „Albury-Hotel“ einbuchen. Ein IrishPub im Erdgeschoß, ein bisschen Stundenhotelcharakter im Zimmer, aber wir freuen uns, dass wir mal wieder richtig viel Platz zum Schlafen haben, und vermissen das raschelnde Geräusch unserer Schlafsäcke überhaupt nicht.
Nach Buttermilch Pancakes zum Frühstück haben wir noch 500 Kilometer vor uns – das hört sich nicht nach viel an, aber ich verweise wieder auf die Höchtgeschwindigkeit, die auch auf der zweispurigen Autobahn („Motorway“) nicht mehr als 110 km/h beträgt, und auf die schier unendlichen Entfernungen zwischen den großen Städten. Australien ist einfach riesig, das unterschätzt man als Europäer ziemlich (und als Österreicher vielleicht sogar noch ein bisschen mehr).
Am Mittwoch nach der Rückkehr schreibt Rolf mir eine SMS und erzählt, dass der RACV-Battery-Man nur vergessen hat, das Kabel der Lichtmaschine anzuschließen. Bad Luck.
Am Mittwoch nach der Rückkehr schreibt Rolf mir eine SMS und erzählt, dass der RACV-Battery-Man nur vergessen hat, das Kabel der Lichtmaschine anzuschließen. Bad Luck.
Gut war der Trip auf jeden Fall. Wofür? Für unendlich viele schlechte Witze, über die wir herzhaft gelacht haben, lustige und freundliche Menschen, die uns weitergeholfen haben, erstaunliche Aussichten und faszinierende Landschaften und zu guter letzt – diesen Blogeintrag. Richtig. Man weiß nie, wofür’s gut ist.
PS: Für Fotos war der Trip übrigens auch gut. Have a look and envy me!
Ach Julia, hinterher kann man immer sagen, dass es langweilig gewesen waere, wenn alles glatt geht. Die ganze Geschichte scheint dich aber nicht ueber die Massen getresst zu haben: Beim Fruehstueck in Albury siehst du zumindest superentspannt aus. Und wenn sich die (wenig schmucken) Mechaniker noch nicht mal durch deinen charmanten Akzent haben bezirzen lassen, dann wenigstens das mechanical bunny!
AntwortenLöschenJulia, ich lache fassungslos mit dir und schlage mir gegen mein immer noch taubes Gesicht (wer weiß schließlich wozu es gut ist?).
AntwortenLöschenOh Gott, ist das noch Pech oder hat das alles schon einen Sinn?
Ciao, O
Als Australier muss ich sagen - Gott sei Dank, dass wir nur bis zum 110 km/hour oder so fahren duerften - besonders wann eine Fahrerlaubnis so einfach zu kriegen ist als Weetbix zu kaufen sind ... PatrickP
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