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17.05.2011

Today, it is all about multitasking


Die Smartphonebesitzer unter uns dürften damit kein Problem haben. Es ist ganz normal geworden, das gerade erörterte Gesprächsthema nachzugoogeln während mit dem Gegenüber schon ein neues Thema besprochen wird. Zwei Dinge gleichzeitig tun. Vermutlich ist es das iPhone, das mir zum unendlichen Aerobicglück fehlt.

Dienstag, 6pm. Wie ein klassischer sydneysider Ninetofiver laufe ich nach der Arbeit mit den Sportsachen auf den Rücken geschnallt in meinen chinesischen Qualitätsplastikballerinas zum Bus. Das Ziel heute heißt University Sports and Aquatic Centre. Ich als Zwei-Wochen-Probe-Mitgliedskartenbesitzer gold bekomme noch mein Handtuch beim Eingang, ziehe die dem treuen Leser schon bekannte Laufhose über und treffe mich mit Hannah und Mirjam zur längsten Stunde des Tages.

Bodyjam. Klingt harmlos. Ein bisschen Dance, ein bisschen Aerobic. Therapeutisches Gruppenspringen begeistert mich ja eigentlich nur bedingt (außer wenn ein Netz herumsteht und ich Aus, aus hundert Meter aus schreien kann), aber manche Fehler macht man im Leben einfach immer wieder.

Die knackige, braungebrannte Mira hüpft quirlig auf ihr Podest und fragt scheinheilig über ihr Kopfmikro „Who is here for he first time?“ Pah, als ob sie das interessieren würde. Mit viel Selbstvertrauen und einem Schuss Dummheit stelle ich mich ins vordere Drittel der überwiegend weiblichen  und damit dem Klischee nach multitaskingfähigen Kursteilnehmerinnen. Dann legt Mira los.

Zwei mal zur Seite, dann das Knie hoch und den Arm nach rechts. Jetzt das gleiche auf der anderen Seite. Easy. ZweimalSeite, Kniehoch, Armnachrechts. Immer schneller. Und jetzt mit Drehung. Und jetzt noch ein bounce dazu. Und noch schneller. ZweimalSeiteKnieArmDrehungBounce. Und jetzt Salsaschritt. Und cha cha cha. Und schneller.

6.20pm. Mira glänzt mittlerweile wie in den billigen TV-Shop Shows, in denen Übernacht-Bauchweg-Fitnessgeräte zu einem Wucherpreis an gelangweilte Mittvierziger verkauft werden. Ich schwitze auch. Aber hauptsächlich ist es mein Gehirn, das heiß läuft.
Hannah quittiert die erlebten 20 Minuten mit einem „Das ist nichts für mich“ und vertschüßt sich aufs Laufband. Wie recht sie doch hat.
Die erste Trinkpause nutze ich, um mich ins hintere Anfänger- oder auch Ihr-werdet-es-nie-lernen-Drittel zu stellen. Hier, unter meines gleichen, allesamt bestimmt keine iPhonebesitzer, fühle ich mich doch gleich wohler.

Housemusik. Das dürfte einfacher werden für mich, als die ganze Latin-Hüftschwung-Hoppserei, die mangels Elastizität in der Körpermitte bei mir eher nach Tourette-Syndrom als Danceaerobic aussieht. Weit gefehlt. Ich beschränke mich mittlerweile auf den Wechselschritt, der mir aus Salzburger Unisportkursen noch geläufig ist. (Damals, als ich den Aerobicfehler zum ersten Mal beging.) Dazu drehe ich mich ab und zu noch mit der Menge mit, um zu vermeiden, dass die Zaungäste außerhalb des Tanzraumes mich zum Opfer ihrer Schau-dir-die-mal-an-Gespräche machen.

6.40pm. Mira glänzt und hüpft weiter. Meinen Wechselschritt reichere ich nur mehr mit regelmäßigen Kopfdrehungen in Richtung Wanduhr an, die ihre Zeiger eher im Yogatempo also im Mira-Bodyjam-tempo weiterzudrehen scheint. Mehrmals kommt mir der Gedanke in den Sinn, mich auf das absolut uni-taskingfreundliche Fahrradergometer zu setzen, das verlockend hinter der Glasscheibe im Fitnessraum steht.

Nix da, sagt mein Ehrgeiz. Jetzt konzentriere ich mich nochmal ordentlich und dann schaff ich das schon. Das kann doch verflixt und zugenäht nicht so schwer sein. Zwei mal links, zwei mal rechts, einmal Drehung und dann nach vor und hoch das Knie und Fersen hoch (Hacken ran, für alle nördlich der bayrischen Grenze), die Arme in die andere Richtung strecken und in entgegengesetzt zur Hüfte drehen. Und – ihr ahnt es – das ganze jetzt in Highspeed. Was bin ich doch für ein Sturschädl (Dickkopf), dass ich nicht einfach aufgeben kann.

6.55pm. Die Erlösung naht. Mira fragt „Who’s going to be here next Tuesday?“ Während zwei Drittel der Leute die Hand heben, gehen mir nur die Mundwinkel hoch. Ich schüttle den Kopf, nehme mein Gold-Mitgliedschafts-Handtuch und gehe hinüber, zu meinem Freund, dem Fahrradergometer.

Ich finde Gesprächsthemen googeln blöd, vor allem während man mit jemand anderem spricht (Erstens, weil ich es unfreundlich finde bei einem Gespräch ständig aufs Display zu schauen und darauf herumzuwischen und zweitens, weil es immer unlustiger wird kreatives Halbwissen zu verbreiten, weil es ja jeder gleich, ihr wisst schon, googelt). Deshalb wird Aerobic vermutlich nie mein Sport. Aber vielleicht probier ichs ein andern Mal nochmal. Morgen, Mittwoch zum Beispiel. Da ist Bodyattack mit Amanda. 6pm. A high energy and really achievable sports-inspired workout. Ich und meine zwei Gehirnhälften geben uns noch eine Chance. Die (vermutlich wieder nicht) letzte. Aerobic, I’ll be back.
Arnie hat im übrigen scheinbar auch etwas häufiger multitasking versucht. Der eine Task war seine Frau, der andere Task die anderen Frauen. Das sagt zumindest die MX U-Bahnzeitung, von der er gestern heruntergelacht hat. Artikelauszug: „Arnold Schwarzenegger is famous fort he catchphrase ,I’ll be back’, but the Terminator star was reportedly telling it to a number of women during his 25-year marriage. Vielleicht ist Multitaskingunfähigkeit ja ein alpenländisches Phänomen.



1 Kommentar:

  1. Diese Mira hoert sich nach einem viel zu gut aussehenden und viel zu braungebrannten Alptraum auf zwei (huepfenden) Beinen an. Wer will schon aussehen wie Barbie, wenn er eine unelastische, dafuer aber viel sympathischere "Koerpermitte" haben kann? Grandioser Artikel, Julchen! Ich vermisse dich und unsere Plaudereien ohne Gespraechsthemengooglelei, dafuer aber mit viel Halbwissen und Gackerei.

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