I couldn’t help myself. Ich konnte es den beiden einfach nicht sagen.
„Du weißt wo Linz ist, oder?“
„Na sicher weiß ich, wo Linz ist. Aber Graz, wo ist das? Schon in der Steiermark, oder?“
„Ich weiß nicht genau, ich verwechsle Graz und Klagenfurt voll oft.“
Falsch gedacht. Das ist kein Gespräch australischer Österreichurlauber in spe, die mit ihrem Halbwissen vor unserer Bürotür (unfortunately our office is not open for the public, but we have a brochure-reck in front of our office where you can help yourself) glänzen wollten.
Hier ist die Zukunft am Wort. Die österreichische Zukunft.
Nock. Nock. Nock. (Geräusch, wenn jemand seine Finger knaxt.)
„Meine Gastmutter zuckt da immer voll aus, wenn ich das mach’.“
„Echt? Schau mal, bei mir ist der Finger voll schief.“
„Nein, das stimmt gar nicht. Ich hab voll hässliche Hände. Und erst meine Daumen, die sind voll hässlich. Genauso wie Zehen, Zehen sind überhaupt das hässlichste.“ *
Selten war eine Fährheimfahrt so unterhaltsam und erschreckend zugleich.
Zwei schätzungsweise sechzehneinhalbjährige Mädels sitzen mir gegenüber, teilen sich die Kopfhörer eines iPods und unterhalten sich über handfeste Dinge. Nach einer Weile stellt sich heraus, dass die eine aus Wien und die andere aus Linz kommt. Ob ich die beiden gefragt habe? Nein, diesmal habe ich aus Neugierde zurückhaltend meine Klappe gehalten und das verbale Schauspiel gehässig in meinem Notizbuch niedergeschrieben.
„Kennst du das Lied?“
„Nein, das hab ich noch nie gehört.“
„Das gibt es nicht. Der singt auf deutsch, den kennst du bestimmt.“
„Das stimmt doch voll überhaupt nicht, der singt auf englisch.“
„Ja, die eine Zeile, aber sonst ist das deutsch. I am from Austria singt er. Und du kennst das wirklich nicht?“
„Nein, ich hab das noch nie gehört.“
„Aber verstehen tust es schon?“
„Ja, voll gut.“
„Wenn ich das den Deutschen in der Schule vorspiel, verstehen die voll nix.“
Was beweist, dass ich nicht zu einer legasthenischen Minderheit gehöre, sondern die Deutsch(sprachig)en sich einfach schwer tun, mit dem Auseinanderklamüsern der unzähligen österreichischen Dialekte, auch wenn sie ein Reinhard Fendrich melodisch darbietet.
Das Mädl hatte nicht nur einen VOLL schlechten Geografielehrer, sondern auch einen miesen Musiklehrer. Und wenn ihr woits a gonz alla - I am from Austria. Es gibt also unter den acht Millionen ÖsterreicherInnen tatsächlich Leute, die schon alt genug sind, um Moped zu fahren, aber in all ihren Lebensjahren noch nie Österreichs heimliche Nationalhymne gehört haben. Das wusste ich nicht.
„Da drüben ist der Taronga Zoo, glaub ich. Der soll voll schön sein. Da kommt man einer Fähre hin, oder so.“
Da hätte ich fast angefangen zu plappern. Normalerweise stürze ich mich ja auf deutschsprechende oder Bücher in nicht englischer Sprache lesende Fahrgäste, aber die beiden hochpubertierenden Austauschschülerinnen habe ich munter vor sich hinplappern lassen, zur Tarnung noch mein englisches Buch aus der Tasche geholt und weiter zugehört. Ja, ich bin fies, um nicht zu sagen voll fies, aber es war göttlich! Irgendwann während dieser kurzweiligen 30 Minuten Überfahrt ging’s dann thematisch auch richtig zur Sache.
„Wixen ist ein voll englisches Wort. Hast du das gewusst?“
„Nein, ehrlich?“
„Ja, aber ich hab voll vergessen, was es heißt.“
„Warte ich hol mein iPhone raus, da kann ich nachschauen.“
„Wie schreibt man denn das?“
„W I X E N“
…
„Nein, da find ich nix.“
[Anm.: vixen – zänkisches Weib, österr.: Bissgurn]
„Was steht denn hier [schaut gespannt auf ihr iPhone in pinker Ummantelung], Plagiat.“
„Hä, was soll denn das sein?“
„Das ist doch so ein Einzelstück, oder?“
Einzelstück, eine schöne Übersetzung für Plagiat, da würden sich die Abgeschrieben-oder-Nicht-Bundestagsabgeordneten in Deutschland freuen, wenn das Mädl voll Recht gehabt hätte. Ich weiß, das ist hinterlistig, fies und gemein. Aber ich war getrieben von der Neugierde, welches Gesprächsthema als nächstes in lässiger Wiener bzw. Linzer Jugendsprache bearbeitet werden würde. Aus Pietätsgründen höre ich aber an dieser Stelle mit der O-Ton-Wiedergabe auf.
„So jetzt sind wir gleich da. Wo müssen wir hin, Nummer 17, Belgrave Street. Weißt du, wo das ist?“
„Keine Ahnung, da müssen wir jemanden fragen.“
Die Fährfahrt war vorüber, jetzt konnte ich meine Deutschkenntnisse offenbaren.
„Do miasts netta grodaus geh, wonnts von da Fähre obigehts.“
Da rutschte die geballte Wiener und Linzer Lässigkeit gleichsam mit den iPod Ohrstöpseln ab.
„Ma, das ist ja voll peinlich jetzt. Wir haben gedacht, uns versteht eh niemand.“
„Ah, na. I hob eh ned zuagheat.“
Voll lustig war das.
* (Die verschwenderische Verwendung von „hässlich“ hat mich doch ein wenig schockiert. Da erarbeiten Generationen von Alpenvölkern das in keinem Deutsch-Wörterbuch zu findende Wort „schiach“ und dann fängt – von einer Generation auf die andere – die Jugend plötzlich an alles "hässlich" zu finden.)
i hätt mi da URzammenreissen müssen damit i net VOLL anfang zu lachen.. lustige anekdote :)
AntwortenLöschenbussals aus innschbrucckk (des is in tirol), leni