Seiten

11.04.2011

Surfen. Zumindest nearly.


Es gibt Dinge im Leben, die muss man probiert haben:
Lakritze. Schon probiert. Schmeckt scheußlich.
Bungee Jumping. Auch schon probiert. Yeah, terrific.
Ein TimTam als Strohhalm für Kaffee benutzen. Steht noch auf meiner Liste.
Und: Surfen. Steht nicht mehr auf meiner Liste. Genausowenig wie ich auf dem Surfboard.

Freitagabend. Auf dem Weg zum Treffpunkt versuche ich mich schon mal drauf einzustellen, dass ich mit lauter alltagsverweigernden Backpackern das kommende Wochenende verbringen werde, und sich das Gesprächsniveau mit zunehmender Tageslänge entgegengesetzt zum Alkoholkonsum bewegen wird. Die Gruppe, mit der ich mich gegen halb 8 Uhr abends auf den Weg nach Seal Rocks zum Wochenendsurfcamp mache ist aber alles andere als dumpf, langweilig und versoffen. (Gut, letzteres wird am Samstagabend teilweise revidiert, aber zu dem Zeitpunkt war mir das Gesprächsniveau auch nicht mehr ganz so wichtig.) Wir steigen in den Bus, der in Österreich oder Deutschland vermutlich kurz nach der Autobahnauffahrt im Verkehrsfunk angekündigt und schon bei der nächsten Abfahrt von der Polizei freundlich von der Straße und direkt zum Schrottplatz gelotst werden würde. Es sollte sich später noch mehrmals zeigen, dass der kultige Bus bestens zur gesamten, benennen wir es mit dem PR-Sprech der mich Montag bis Freitag umgibt, Corporate Identity der Waves Surf School gehört.

Eineinhalb Stunden nördlich von Sydney steigen noch vier Leute in Newcastle zu, darunter auch Stefan, mein alter, nein, großer Bekannter, mit dem ich gemeinsam das Camp gebucht hatte. Wir fahren noch ca. zwei Stunden weiter Autobahn ehe wir in the middle of nowhere auf eine Dirtroad, also einen Feldweg ohne Grünstreifen in der Mitte, einbiegen. Ein Schild mit einem Känguruh und der Aufschrift „Be kind to the natives“ steht mitten im Bush, wo sich unsere „Cabin Accommodation“ befindet. Da es schon stockdunkel ist (und ich zum ersten Mal wirklich gesehen habe, dass der Sternenhimmel auf der Nordhalbkugel die Dynamefahrradlampe, während der Sternenhimmel auf der Südhalbkugel so was wie die Leuchtreklame am Broadway ist) werde ich erst am nächsten Morgen sehen, dass wir tatsächlich von nichts umgeben sind, als weiten Wiesen, Bergen, Dirtroads und Bäumen.

An besagtem morgen sorgt Melinda aus Kanada für den running gag des Wochenendes. Erwartungsfroh und hungrig erkundet sie das Buffet, ehe Sie sich eine weite Schüssel mit einer weißen, zähflüssigen Masse schnappt, diese zu einer nicht weit entfernten Warmhalteplatte hinüberträgt um voller Schwung und mit einem überzeugten „Hey, there are pancakes!“ einen Löffel voll Joghurt auf die Warmhalteplatte patzt. „What the fuck are you doing?“ wird sie von einem der Work’n’Traveller, die am Surfcamp kochen und saubermachen, morgenmufflig gefragt. „I thought that was pancake dough!“ „No, that’s yoghurt.“ brummt Grummel unter seiner Kapuze hervor, und geht in die Küche zurück. Als er mit einer Platte voll Spiegeleier wieder herauskommt, für die die Warmhalteplatte eigentlich vorgesehen war, geht er auf Nummer sicher und sagt zu Melinda „These are eggs, you see? Eggs!“. Die nimmt es gelassen, hat ihren Joghurt-Fauxpas weggeputzt und schluckt ihre Enttäuschung über die fehlenden Pancakes mit einem Becher Löskaffee hinunter.

Als nächstes geht’s zur Wetsuit-Verteilung. Da kommt die oben angesprochene Corporate Identity wieder zu Tragen. „Shark-Attack-Style“ nennen die Surf-Instructors Steve und Nick die emmentaler-like „Wetties“. Ich bin ja eher der Meinung, dass die Dinger Wet-not-suit heißen sollten. Das Hineinkraxeln in diese schwarz-blaue Thermo-Ersatzhaut gestaltet sich sportlich. Unweigerlich muss ich an den Wursthaut-Vergleich denken.
Aber halt, so eng ist das Ding ja gar nicht. „Julia, the zip has to be on the back“ ruft Stefan mir zu. „I love it. It is always one.“ sagt Surfinstructor Steve. Das war dann mein Beitrag zur Gruppenunterhaltung. Melindas Joghurt-Story konnte ich damit natürlich bei weitem nicht toppen.

Die Fahrt zum Seven-Mile-Beach in Pacific Palms dauert ca. 45 Minuten. 45 Minuten in denen ich nur staune. Erstens, weil ich mein erstes Skippy in freier Wildbahn gesehen habe (Känguru oder Wallabee – da wurde dann heiß diskutiert, ob das denn nun small cangaroos oder wallabees waren – mir ist das wurscht(haut) ich freu mich einfach nur, weil die Viecher so putzig durch die Gegend hüpfen). Zweitens weil die Landschaft von Seen, Palmen, Hügeln, weiten Felder so unglaublich beeindruckend ist. Drittens weil der Bus scheppert wie eine Gruppe Kinder in der musikalischen Früherziehung und wir trotzdem nicht stehen bleiben müssen, um Einzelteile des Fahrzeugs aufzusammeln. Er hält und hält und hält.

Wie der Seven-Mile-Beach dann aussieht, da verlier ich jetzt keine Worte, sondern verweise auf die Bilder. Das war so unbeschreiblich schön, das kann kein noch so langer Schachtelsatz ausdrücken.

Wie brasiliansiche Bananenpflücker tragen wir unsere Longboards auf dem Kopf vom Parkplatz zum Strand und legen Sie in einem Kreis auf, um von Steve die Basics des Surfen erklärt zu kriegen. Erst mal die Teile:
Vorderer Teil des Bretts: Nose
Hinterer Teil des Bretts: Tail
Flosse: Fin
Seiten: Rails
Oberfläche: Deck
Schnur zum befestigen des Brettls am Knöchel: Legrope

Dann erklärt Steve, wie man sich smooth auf das Brett schwingt und dann mit der 4-Stufen-Technik aufsteht. Das probieren wir alle ein paar mal im Rahmen des Trockentrainings, ehe wir unsere ersten Versuche im Wasser machen.
Ein paar Talente schaffen es schon in dieser ersten Trainingseinheit senkrecht aufs Brett. Ich bin schon froh, dass ich es waagrecht auf das Ding schaffe. Die Worte, die die beiden Surf Instructors dieses Wochenende am öftesten zu mir sagen, nachdem ich wieder unter dem Surfboard hervortauche, lauten „nearly“ und „almost“.
Beim Ausfüllen des Feedbackbogens bei der Rückfahrt am Sonntag gibt es neben „yes“ und „no“ auch die Antwortmöglichkeit „briefly“ auf die Frage „Did you stand up?“ Nearly. Almost. Briefly.

Ganze zwei Mal hab ich geschafft aufzustehen und mich von der Welle ein Stück mitnehmen so lassen. Das war schon ein lässiges Gefühl. Was ich nach diesem Wochenende ziemlich gut kann ist stilvoll vom Brett fallen, respektive springen.
Das Surftraining hatte was von „Auffibrettln, Obiwedeln.“ Auffibretteln ist immer sauanstrengend und Obiwedeln viel zu kurz. Das hinausgehen bzw. paddeln kostet viel Kraft und Energie, und es fing nach einer Weile doch an, die Grenzen meiner Geduld stark auszuloten. Wenn es dich dann wieder eher ungrazil vom Surfbrett wuchtet, noch bevor du bei Stufe 3 von den 4 besprochenen angelangt bist, da heißt es dann durchatmen. Und weiter: Auffibretteln, Obiwedeln.

Zurück in unserer Unterkunft am Samstagabend zeigt uns Nick, Busfahrer, Surfinstructor und Liebling der Engländerinnen, die Duschen, die in der Broschüre extra als „hot showers“ angeführt waren: „When you turn on the water, you might feel a slight electric shock. But, no worries.“ Da ist sie wieder, die Corporate Identity nach dem Motto „No worries.“

Nach einem nur teilweise identifizierbarem Abendessen und einer illustren Party, über die ich hier mal keine Worte verlier, stehen wir am Sonntag um 7.30 Uhr wieder auf,  um den Hangover mit einer erneuten Surflesson zu bekämpfen. Wir fahren nach Seal Rocks (es gibt dort keine Seals, aber sehrwohl rocks). Eine schmale Straße bergab führt uns zum Strand. Man sieht weit auf den Ozean hinaus und ähnlich wie am Samstag sind nur wenige Leute am Strand. „Sorry for taking you folks to such awful places. It’s disgusting.“ witzelt das Cockpit herum.

Der Rest des Tages bleibt gleich. Bananenkorbartiges Surfbretttragen, Sandwiches zum Lunch, Surflesson und nur mäßiger Erfolg bei der Operation „Julia senkrecht auf Surfboard.“
Halt, nicht alles ist gleich. Den Zip hatte ich diesmal richtig. Am Rücken.

Abgesehen von bruises (blauen Flecken) auf der Hüfte, vom Surfboard tragen und über die Wellen heben, habe ich zahlreiche Fotos, neue Bekanntschaften und starke Eindrücke mit nach Sydney genommen. Jetzt sollen die bruises mal langsam verschwinden und den Muskelkater gleich mitnehmen und dann wird sich zeigen, ob ich meine Untalentiertheit durch hartes Training wettmachen werde.

1 Kommentar:

  1. Hallo Julia,
    hast du ein Piercing in der Lippe oder hab ich Dreck auf dem Bildschirm?

    ...

    Oh ha, beim Scrollen scrollt das Piercing mit. Muss wohl mal putzen.

    "Löskaffee", krrr... ihr erfindet schon lustige Wörter, ihr verrückten Össis. Ach Julia, is langweilig ohne dich, weißte selbst, oder?

    AntwortenLöschen