Dieser Blog hat eine wesentliche Lücke. Sie reicht vom 9. Juni bis zum heutigen Tag. Diese Lücke mit diesem letzten, abschließenden Eintrag aufzufüllen, würde der Großartigkeit der Erlebnisse in diesen vier Monaten bei weitem nicht gerecht werden. Daher können sich alle, die sich aus Gutmütigkeit, Freundschaft oder auch Langeweile und Mitleid noch einmal auf Welcome to Austr-i-alia verirrt haben, jetzt entspannen. Don’t worry, das wird jetzt weder eine sentimentale Entschuldigung für meine Inkonsequenz beim Bloggen, noch eine einkaufslistenartige Auflistung dessen, was sich in den vier Monaten in glorious Glebe zugetragen hat. Ich möchte euch abschließend noch etwas zeigen, was mich während meiner ganzen Zeit in Australien begleitet hat, und unschätzbaren Wert für mich (und evtl. irgendwann für meinen Biographen) hat: Say hello to my pink Moleskine.
„Tropical strength – Insektenspray“ steht auf Seite eins. Da wars noch richtig sommerlich, die Küche voller cockroaches und da war auch noch Manly. Es folgen ein paar Seiten Vokabel, mit Worten, die ich während dieser sieben Monate vermutlich ein bis keinmal verwendet habe: „at the sundries“, zum Beispiel, heißt „im Allerleiladen“. Zum Beispiel in so einem Allerleiladen wie jener auf der Glebe Point Road, bei dem Roomie Hannah und ich eines schönen Samstagnachmittages auf der Suche nach passender Kostümierung für die Independence Day Party amerikanischer Ex-Pats waren, mit aufblasbaren (zugegeben, ziemlich schicken) Maschinenpistolen wieder herausgekommen sind und schließlich auf der Party mehrmals beschuldigt wurden, wir würden hier die amerikanische Ehre verletzen. Haben wir das? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls hatten wir eine Menge Spaß dabei, der Freiheitsstatue zu sagen, sie solle mal eben die Fackel ein wenig tiefer halten, man hätte sich mit dem Umhängegurt der machine gun bei ihr verhängt.
Das erste Drittel meines schmalzeiligen Moleskines ist zudem voller Überschriften, die wie folgt lauten: „2do“ (lässige Schreibweise, Julia, ziemlich lässig), und ein Datum daneben. Darunter sind dann Dinge aufgelistet wie „Flug buchen“, „Bankkonto checken“, „Handyvertrag abmelden“. Ab dem zweiten Drittel des Heftchens stehen dann auf ähnlichen Listen plötzlich bullet points wie „Spit to Manly Walk“ (den ich mir für’s nächste Mal aufgehoben habe), „Paddington Market“, „Opera tickets besorgen“. Diese sieben Monate große Blase namens Sydney, sie lässt einen ziemlich schnell viel für essentiell gehaltenen Ballast aus der gedanklichen Sichtweite bringen.
Die Getränkekarte in der Orbit-Bar zu checken, statt den Kontostand – kann verhängnisvoll werden, aber macht derbe Spaß. Und während sich die Orbit-Bar mit mir mitten drin einmal um sich selbst gedreht hat, hat sich die Welt in Europa, mit Unis, Versicherungen, Handyverträgen und Bankkonten auch ohne mein Zutun problemlos rund weiter gedreht. Und dass mich der ballaststoffreiche Alltag nicht ganz so schnell wieder einholt, dafür sorge ich mit regelmäßiger Lektüre der wirklich wichtigen 2do-Listen im zweiten Drittel meines pinken Moleskines. Im übrigen hatte ich von Versicherungen auch vorher keine Ahnung, Geld hab ich auch kaum auf dem Konto, also warum in aller Welt soll ich mich jetzt mit diesem Kram beschäftigen.
Zwischendrin finden sich immer wieder ein paar Stichwortfetzen von Trivias, wo wir in unterschiedlicher Besetzung, aber nie ohne den harten Kern der Glebe Girls zwei Mal erfolgreich Trostpreise abgeräumt haben. Das war dann der Fall, wenn nicht wie üblich zwei Drittel der Fragen über das Gewicht und die Schuhgrößen der australischen AFL-Spieler gestellt wurden, sondern zum Beispiel das Wissen über die kälteste Temperatur, die jemals auf der Erde gemessen wurde, zum Punktgewinn führte. Wisst ihr nicht? Ich auch nicht mehr. Aber Jimmy Bartel von den Geelong Cats wiegt 88kg. Trivia eben.
Consolation Prize for... the fabulous Glebe Girls! |
Und schließlich enthält mein pinkes Moleskine jede Menge Wegbeschreibungen. Von unseren Touren zu Ostern, die bekanntlich zum Aufputz meines englischen Motorenvokabulars führten, von meinem Tasmanien-Trip, wo mich auch „Road closed – due to snow and ice“ nicht vom anfahren der Highland-Lakes abgehalten haben, oder von der Reise mit Vater und Mutter Holzapfel, wo mich das Cider am ersten Abend zu gesanglichen Höchstleistungen beim Karaoke getrieben hat.
In Jogginghosen und bester Stimmlage in Canberra. |
Ansonsten ist das Heft voll von vorgeschriebenen Gruß- und Postkartentexten (ja, ich schreibe sie vor, ist ganz gut für die grammatikalische Trefferquote), stichwortartigen Tagebucheinträgen, die die Bettlektüre kommender Abende voll Fernweh sein werden (ich liebe es, Salz in meine Wunden zu streuen) und voll von Beschreibungen großartiger Menschen, die ich während dieser sieben Monate kennen gelernt habe. Und um doch noch ein bisschen tränendrüsig zu werden (Mein Gott, ich bin halt ein Mädchen): Das sind die Menschen, die diese sieben Monate zu etwas ganz großartigem gemacht haben, und denen ich genauso Danke sag, wie sie es zu mir gesagt haben („Thank you for coming to Australia, otherwise we would have probably never met!“ Patrick P.).
Unsere abschließende Reise quer durch den Kontinent hat mir nicht nur wesentliche Erkenntnisse über nötige Wasser- und Obstmengen bei einer Outbackreise und das lyrische Talent eines Roland Kaiser gebracht, sondern auch den nötigen Abstand zu meinem „Alltag“ in Sydney, an den man sich ziemlich schnell gewöhnen könnte. Aber man kann sich auch an das herzliche Willkommen von Familie und Freunden gewöhnen, wenn man von seiner Nichte Johanna und ihrer individuellen zweieinhalbjährigen Sprachvergangenheit innig mit den Worten „Schön, dass du wieder zusammen bist, Tante Julia.“ begrüßt wird.
Das pinke Moleskine hat übrigens noch fünf leere Seiten. Ich halte die schon mal frei für die kommenden 2do-Listen. Vermutlich gehen die wieder mit „Flugticket buchen“, „Visum besorgen“, „Wohnung suchen“ los. Klingt nach Fernweh, das heißt übrigens "wanderlust".
So liebes Frohlein,
AntwortenLöschenein versöhnlicher Abschluß und ich freue mich schon auf Gutenachtgeschichten aus dem pinken Moleskin...
Ciao, Olli
Ja - gscheit schön wars schon. wow.
AntwortenLöschenUnd bis zur nächsten Reise muss halt gelten:
Die wahren Abenteuer sind im Kopf...
Andre(a)
nicht Heller sondern Bawiedemann